Am heutigen Freitag, 29. Januar, nahmen wir in Dortmund an einer Kundgebung gegen die Aufrüstung der Nordstadt-Polizei mit Tasern teil. Die Versammlung fand auf dem Platz vor der Josephkirche in der Münsterstraße statt, der sich um 15 Uhr mit knapp 70 Menschen füllte.
Zur Kundgebung hatten neben uns auch andere linke Gruppen und Initiativen aufgerufen, zum Beispiel die Initiative gegen Kameraüberwachung und einige Zusammenhänge aus dem autoritär-kommunistischen Spektrum der Stadt.
Nacheinander wurden einige gute und mal weniger gute Reden verlesen. Wir machten in unserer Rede klar, dass die Taser, die Polizei und Stadt als Lösung für “Kriminalitätsprobleme” verkaufen wollen, keine Lösung darstellen, sondern eine potentiell tödliche Gefahr für die Bewohner*innen des Viertels. Stattdessen zeigten wir auf, wo die Ursachen der Probleme zu suchen sind – nämlich beim Kapitalismus, der die Leute ins Elend treibt und beim Staat, der rassistischen Polizist*innen neue Waffen in die Hand drückt – und dass nur die Selbstorganisierung von unten und der Zusammenschluss in Nachbar*inneninitiativen und Mieter*innengewerkschaften unsere Viertel wirklich zu einem sicheren Ort machen.
Die ganze Rede findet ihr im Anschluss an diesen Bericht.
Insgesamt sind wir vorerst zufrieden mit der Kundgebung, da trotz der schwachen Mobiliserung und dem miesen Wetter einige Menschen auf der Straße gezeigt haben, dass sie die zunehmende Aufrüstung der Dortmunder Polizei nicht unwidersprochen hinnehmen werden.
Wir hoffen, dass es gelingt, in den nächsten Wochen und Monaten an diese erste Kundgebung anzuknüpfen, auch hinsichtlich der Bedrohung, die das neue, möglicherweise schon bald kommende NRW-Versammlungsgesetz darstellt.
Wir werden uns auch weiterhin klar gegen die Militarisierung unserer Nachbarschaften wehren! Selbstorganisierung schafft Sicherheit, der Polizeistaat dient nur dem Kapital!
Unser Redebeitrag
Hier könnt ihr nun unseren Redebeitrag von der Kundgebung nachlesen:
Hallo liebe Nachbar:innen, hallo liebe Passant:innen, hallo liebe Kundgebungsteilnehmer:innen,
ich bin Peter und ich spreche hier heute für die anarchakommunistische Organisation die plattform.
Es freut mich sehr, dass ihr hier heute alle zur Kundgebung gekommen seid, denn das Thema für das wir heute hier trotz Pandemie auf der Straße sind ist wichtig, sehr wichtig sogar und betrifft alle Menschen, die hier in der Nordstadt wohnen und leben.
Vor ein paar Wochen erschien in der Regionalzeitung Ruhr Nachrichten ein Artikel mit dieser Überschrift: “Polizei Dortmund nutzt ab sofort Taser — vor allem in einem Stadtteil”. Für jeden Menschen aus Dortmund und dem Ruhrgebiet liest sich diese Überschrift eigentlich wie eine rhetorische Frage.
Wer in den letzten Jahren und Jahrzehnten auch nur ab und an einen Blick in die regionalen Medien geworfen hat, weiß, dass es sich hierbei nur um ein Viertel handeln kann: die Nordstadt!
Über kein anderes Viertel Dortmunds berichten die Medien so gerne und so regelmäßig. Und jede:r von uns weiß doch auch, wie sie über dieses Viertel berichten: Immer wieder malen sie in bunten Farben die Probleme der Nordstadt an die Wand – Armut, Drogendelikte, organisierte Kriminalität.
Klar, die Nordstadt hat all diese Probleme, niemand hier würde das leugnen! Es ist auch wichtig, diese Probleme anzusprechen. Genauso wichtig ist es jedoch, die Ursachen dieser Probleme klar zu benennen.
Genau das, Ursachen ansprechen, machen die Medien aber leider irgendwie nie. Stattdessen schauen sie nur zu gerne arrogant auf dieses Viertel und seine Probleme herab. Aber warum sind die Menschen denn arm? Was lässt Menschen zu Kriminellen werden?
Armut und Kriminalität fallen nicht einfach vom Himmel. Sie sind die direkten Folgen des Systems, in dem wir alle leben und unter dem wir alle täglich leiden. Die Eckpfeiler dieses Systems heißen Kapitalismus und Staat. Im Kapitalismus besitzt eine kleine Minderheit an Menschen, die Kapitalist:innen, das Land, die Maschinen und den Wohnraum. Sie häufen mit ihrem Eigentum Milliarden an. Auf der anderen Seite stehen wir, der große Rest, der abhängig ist vom mickrigen Lohn, den uns die Kapitalist:innen zahlen. Im Alltag setzt der Kapitalismus uns ständig in Konkurrenz zueinander. In diesem täglichen Konkurrenzkampf bleiben viele Lohnabhängige auf der Strecke, sie fallen aus dem System des ständigen Jeder-gegen-jeden heraus. Viele Menschen flüchten sich deshalb in digitale Welten, in Glücksspiel oder in den nächsten Drogenrausch. Andere werden kriminell, nicht selten, um ihre Sucht zu finanzieren.
In der Nordstadt, in dem Menschen mit vielen verschiedenen kulturellen und ethnischen Hintergründen als Nachbar:innen zusammenleben, erscheinen diese Probleme wie unter einem Brennglas. Denn hier sind die Menschen oft noch ärmer als im Rest der Stadt. Die Folge: Kriminalität und Drogenprobleme.
Die Probleme der Nordstadt und ihre Ursachen sind nun also klar. Wäre nun mal gut, wenn jemand ne Lösung hätte, oder? Die Polizei zumindest glaubt, dass sie schon eine Lösung gefunden hat: Seit kurzem patroulliert sie nicht nur ständig durch die Straßen des Viertels, sondern sie setzt in der Nordstadt, und nur in der Nordstadt, Taser ein. Taser sind Geräte, mit denen auf kurzer Distanz elektrische Schocks abgegeben werden können. Mit den neuen Waffen sollen sich Polizist:innen besser gegen Angriffe schützen können. Die Taser sollen jetzt erstmal 12 Monate lang im Einsatz getestet werden. Wo liegt für Polizeipräsident Lange das perfekte Testgebiet für potentiell tödliche Elektrowaffen, die Betroffene oft mit schweren psychischen Folgen zurücklassen? Natürlich: hier in der Nordstadt!
Da fragt man sich doch wirklich, welches Problem genau dadurch gelöst werden soll, dass die Polizei auf einmal mit einer gefährlichen Waffe mehr rumhantieren darf. Haben wir nicht in den letzten Monaten oft genug davon mitbekommen, welche Missstände es in der Polizei hier in NRW und darüberhinaus gibt? Immer wieder rechte Chatgruppen, in denen Beamt:innen rassistische Inhalte austauschten. Und dazu immer neue Fälle schwerer Polizeigewalt. Und diesen Leuten sollen wir jetzt neue Waffen in die Hand geben, damit sie die in einem Viertel ausprobieren können, in dem Menschen mit so vielen verschiedenen kulturellen Hintergründen zusammenleben?
Ist doch eigentlich schon klar, worauf die ganze Sache hinausläuft: Am Ende werden die neuen Maßnahmen besonders diejenigen treffen, die nicht ins staatliche Idealbild des “ordentlichen deutschen Bürgers” passen, also Obdachlose, Drogenabhängige und natürlich auch Schwarze Menschen und People of Colour. “Racial Profiling”, also dass die Polizei aufgrund rassistischer Stereotype gezielt Leute kontrolliert, die für sie nicht “deutsch” genug aussehen, ist immer noch Alltag und ein verdammter Skandal. Die Aufrüstung der Polizei wird die Menschen am schärfsten treffen, die eh schon täglich von rassistischen Polizeikontrollen betroffen sind.
Lasst uns ehrlich sein liebe Leute, diese Taser lösen keins unsererProbleme oder der Probleme hier im Viertel. Sie sind eine aggressive Drohung der Polizei, die schnell lebensgefährliche Konsequenzen haben kann. Was wir brauchen sind wirkliche Lösungen, nicht noch mehr Waffen und Drohungen.
Die Probleme in der Nordstadt sind echt, ich habe sie schon aufgezählt, aber ihr kennt sie sowieso alle. Und weil ihr sie alle kennt, seid ihr es auch, sind wir alle es auch, die diese Probleme angehen können – nicht alleine, aber gemeinsam. Indem wir nicht länger zuschauen, wie das Viertel unter seinen Problemen leidet, sondern indem wir uns mit unseren Nachbar:innen zusammentun, indem wir uns austauschen, über das was uns auf dem Herzen liegt und indem wir das dann anpacken – gemeinsam.
Nicht mehr Waffen für eine Polizei, die alle paar Tage in einen neuen Rassismus-Skandal schlittert, sind die Lösung, sondern unsere Selbstorganisierung hier im Viertel. Gemeinsam haben wir die Kraft, unser Viertel zu einem Ort zu machen, wo wir Probleme gemeinsam lösen, statt darauf zu hoffen, dass sich der Staat dazu bequemt, uns zu helfen. Gemeinsam schaffen wir einen solidarischen Umgang miteinander. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass unser Viertel für alle sicherer wird – vor den Problemen, die uns jeden Tag entgegenschlagen und vor der Polizei, die nachts mit Tasern um die Häuser zieht.
Unser Lösungsvorschlag lautet also: Lernt euch kennen und tut euch zusammen. Schafft langfristige Formen der nachbarschaftlichen Selbstorganisierung wie Solidaritätsnetzwerke und Mieter:inneninitiativen. Stärkt vorhandene selbstverwaltete Räume und schafft selbst neue. Gemeinsam verändern wir das Viertel von unten und schaffen eine starke, solidarische Nachbarschaft!
Und natürlich braucht diese Nachbarschaft keine Polizei, die immer weiter aufgerüstet wird. Deshalb: Keine Taser für die Polizei! Für solidarische Perspektiven jenseits staatlicher Gewaltfantasien!
Redebeitrag von Peter am 29. Januar 2019 für die plattform