Heute ist nicht nur ein Feiertag – heute ist der internationale Kampftag der Arbeiter:innenklasse. Ein Tag, der daran erinnert, dass unsere Rechte uns nie geschenkt wurden. Sie wurden erkämpft – von Menschen wie dir und mir. Dafür sind Menschen auf die Straße gegangen, verhaftet oder erschossen worden.
Ein Tag, der uns erinnert: Unsere Rechte sind das Ergebnis von Organisierung, Widerstand und unzähligen Kämpfen gegen die herrschende Klasse. Der Acht-Stunden-Tag, das Streikrecht, die Lohnfortzahlung – das sind keine Geschenke, sondern Siege gegen die Logik des Profits. Und genau diese Siege stehen heute wieder unter Beschuss.
Die Schwarz-Rote Regierung bereitet die Entgrenzung der Arbeitszeit vor –unter dem Deckmantel der „Flexibilisierung“. Arbeitgeber sollen mit Beschäftigten vereinbaren können, wann wie lange gearbeitet wird – real bedeutet das: Mehr Arbeit. Mehr Stress. Weniger Schutz.
Während der Acht-Stunden-Tag nun verteidigt werden muss, ist für viele Menschen dieser „Standard“ nie Realität gewesen. Millionen arbeiten mehrere Jobs, befristet, prekär – oft nicht aus Wahl, sondern aus Zwang. Besonders Frauen, INTA*-Personen (inter, nicht-binär, Trans & Agender), Migrant:innen und queere Menschen arbeiten in Sektoren, die schlechter bezahlt, unsicherer und oft unsichtbar sind: Pflege, Reinigung, Erziehung, Assistenz, Einzelhandel, Gastronomie. Es sind Jobs, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktioniert – aber die trotzdem kaum Anerkennung bekommen. Wer diese Arbeit macht, lebt oft nah an der Armutsgrenze –auch mit Vollzeitstelle.
Dazu kommt noch ein höherer Anteil an unbezahlter Sorgearbeit – kochen,pflegen, kümmern um Kinder, Angehörige, Partner:innen, Nachbar:innen. Diese Arbeit hält unser Leben zusammen. Doch sie wird nicht als Arbeit behandelt – sondern als „natürliche Rolle“. Und sie wird in den Statistiken,in den Tarifverträgen, in der öffentlichen Debatte kaum mitgedacht.
Die Preise steigen, die Löhne nicht. Du arbeitest mehr, hast aber weniger übrig. Ob als Verkäufer:in, Pfleger:in, Lagerarbeiter:in oder im Büro. Du merkst es jeden Tag. Miete, Essen, Energie – alles wird teurer, während die Reichen reicher werden. Und was tut die Regierung?
Die Regierung sorgt wie immer auch für keine Verbesserung der Lage. Im Gegenteil: Während Milliarden in Aufrüstung und Konzerne fließen, wird bei sozialen Leistungen gekürzt. Die Kindergrundsicherung wurde auf ein Minimum zusammengestrichen. Bürgergeld wird sanktioniert. Migration wird kriminalisiert. Queerfeindliche Angriffe nehmen zu, auch weil rechte Rhetorik längst in der politischen Mitte angekommen ist. Die Ampelregierung und auch die Schwarz-Rote bedienen rassistische Narrative, setzen auf Nach-Unten-Treten und Spaltung, während die AfD immer offener hetzt – gegen Arme, gegen Migrant:innen, gegen Queers, gegen Feminist:innen. Und immer öfter finden diese Angriffe auf offener Straße statt – mit Gewalt, mit Zustimmung, mit erschreckender Normalität.
Dabei ist die rechte Mobilisierung kein Zufall. Sie ist das Ergebnis eines politischen Vakuums, das entstanden ist, weil linke Alternativen zu selten konkret, kämpferisch oder sichtbar waren. Auch die Gewerkschaften haben hier ihren Teil der Verantwortung zu tragen. Obwohl es in den letzten Jahren Arbeitskämpfe gegeben hat – etwa beider Post, bei der Bahn oder im Sozial- und Erziehungsdienst – wurden diese oft nicht konsequent geführt. Statt Solidarität aufzubauen und die eigene Basis zu stärken, setzen viele Gewerkschaftsführungen auf symbolische Aktionen, kurze Warnstreiks oder Kompromisse, die unterhalb der Inflationsrate liegen. Während die Lebensrealität vieler Kolleg:innen von prekären Verträgen, Überstunden, psychischer Belastung und struktureller Diskriminierung geprägt ist, wirken große Teile der Gewerkschaften wie schwerfällige Apparate, die weit entfernt von den Bedürfnissen ihrer Mitglieder agieren.
Entscheidungen werden von oben getroffen, statt mit der Basis. Große Teile der Gewerkschaftsspitzen haben sich mit dem Bestehenden arrangiert – mit dem Co-Management, mit der Standortlogik, mit„Sozialpartnerschaft“.
Wir können auf den Staat und den Kapitalismus nicht vertrauen, wir müssen anfangen, uns kollektiv zu organisieren – in unseren Vierteln, in unseren Arbeitsstellen, in unseren Netzwerken, sonst wird sich nichts verändern. Der Staat wird uns nicht retten. Wahlen werden es nicht richten. Die Krise ist real – und sie trifft uns auf unterschiedliche Weise. Aber genau deshalb braucht es gemeinsame Antworten.
Organisierung beginnt dort, wo wir sind. Solidarität beginnt dort, wo wir leben. Feminismus beginnt dort, wo wir uns entscheiden, nicht mehr allein zu kämpfen.
Dieser 1. Mai gehört uns, die keine Lobby haben. Allen, die tagtäglich funktionieren müssen unter beschissenen Bedingungen. Allen, die sich gegen Ausbeutung, gegen Spaltung, gegen patriarchale Machtverhältnisse wehren. Wir müssen es selbst machen. Zusammen von unten.
Lasst uns unsere Kämpfe zusammenführen. Für ein gutes Leben für alle– nicht für wenige. Für eine Gesellschaft, in der Arbeit nicht krank macht. Für eine Welt, in der Solidarität die Grundlage ist und nicht Profit. Organisieren wir uns in unseren Betrieben – aber auch über sie hinaus! Erkämpfen wir Mitbestimmung dort, wo wir arbeiten, leben, lieben und kämpfen! Verändern wir unsere Gewerkschaften – von passiven Verwaltungsorganen hin zu aktiven, basisdemokratischen Werkzeugen für den Klassenkampf!
Stellen wir feministische Fragen! Wer macht unbezahlte Arbeit? Wer wird im System unsichtbar? Wessen Sorge zählt – und wessen nicht? Seien wir unbequem – solidarisch mit Care-Arbeiter:innen, mit Streikenden, mit Menschen in prekären Jobs, mit queeren Jugendlichen, mit Migrant:innen an den Grenzen!
Lasst uns wieder kollektiv werden. Laut. Unbequem. Solidarisch.