An diesem Wochenende haben in Dortmund zwei Veranstaltungen stattgefunden, um der Märzrevolution im Ruhrgebiet von 1920 zu gedenken. Diese Veranstaltungen wurden von der Sektion Östliches Ruhrgebiet der Freien Arbeiter*innen-Union Duisburg und der Plattform Ruhr gemeinsam ausgerichtet.
Am Freitagabend fand zunächst im anarchistischen Zentrum Black Pigeon ein Vortrag über die Ereignisse der Märzrevolution in Dortmund statt. Dazu war ein Referent der Geschichtswerkstatt Dortmund eingeladen worden. Mit etwa 25 Menschen war der Vortrag sehr gut besucht, nach dem Ende wurde intensiv über das gehörte diskutiert. Außerdem wurde an diesem Abend für die Teilnahme an der zweiten Veranstaltung des Wochenendes geworben.
Diese fand dann direkt am nächsten Vormittag auf dem Dortmunder Nordfriedhof statt, wo sich das Gemeinschaftsgrab von zwölf Dortmunder Arbeitern befindet, die während der Märzkämpfe ermordet wurden. Am Grabmal fand eine kleine Gedenkfeier statt. Auf dieser sprachen ein Vertreter unserer Organisation und ein Genosse der FAU. Unseren Redebeitrag zur Bedeutung revolutionärer und anarchistischer Gedenkkuktur haben wir unter diesem Bericht dokumentiert.
Nachdem noch gemeinsam zwei Lieder gesungen wurden, wurden Blumen, Kerzen und ein kleines Banner am Grab der gefallenen Arbeiter abgelegt. Danach besuchte man noch zusammen das nahegelegene Bergarbeiterdenkmal, das in Erinnerung an einen Zechenunfall von 1925 errichtet wurde.
Wir sind froh, in diesem Jahr ein Gedenken durchführen zu können, das den Toten Genossen würdig ist. Im nächsten Jahr wollen daran anknüpfen: Damit die Märzrevolution und die Menschen, die sie kämpften nie vergessen werden!
Besonderen Dank wollen wir an dieser Stelle an alle richten, die dieses Gedenkwochenende möglich gemacht haben. Den Genoss:innen der FAU, dem Black Pigeon als Gastgeber, natürlich dem Referenten der Geschichtswerkstatt. Und nicht zuletzt natürlich allen Genoss:innen, die sich am Samstagvormittag die Zeit genommen haben, unseren toten Vorkämpfern zu gedenken.
Hier noch die Rede, die wir am Grab der Märzkämpfer gehalten haben:
„Liebe Genoss:innen,
ich freue mich heute hier vor euch als Vertreter der anarchakommunistischen Föderation die plattform sprechen zu können. Besonders freut es mich aber, dass so viele von euch heute mit hier auf den Nordfriedhof gekommen sind, um der Märzrevolution im Ruhrgebiet und den von Faschisten und Reaktion ermordeten Arbeiter:innen zu gedenken, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben.
Es ist wichtig, dass wir heute hierhergekommen sind. Davon bin ich überzeugt. Wichtig deshalb, weil heutzutage kaum jemand im Ruhrgebiet noch weiß, was sich in den Märztagen des Jahres 1920 in den Städten, Vierteln und Straßen in denen wir heute leben zugetragen hat. Welches Kind, das heute hier aufwächst, weiß denn, dass in diesen Tagen vor gerade einmal 102 Jahren, hunderttausende Arbeiter:innen im Pott gegen einen faschistischen Putsch in den Generalstreik traten? Wer weiß denn, dass sie sich überall bewaffneten, um die Faschisten zu bekämpfen? Wer weiß denn, dass sie teilweise schon anfingen, Räte in den Fabriken und Städten zu bilden, um aus dem antifaschistischen Widerstand heraus eine andere Gesellschaft aufzubauen? Wer weiß, dass sie es so schafften in wenigen Tagen und Wochen die stärkste und erfolgreichste revolutionäre Erhebung der Arbeiter:innenklasse zu organisieren, die Deutschland jemals gesehen hat? Und wer weiß zu guter Letzt, dass die SPD in der Regierung, kaum hatten die Arbeiter:innen ihnen den Arsch gerettet die selben faschistischen Bluthunde in den Kohlenpott sandte und den Traum einer freien Zukunft im Blut von über 1000 Arbeiter:innen ertränken ließ?
Ja, stimmt. Das weiß kaum jemand – weder hier bei uns im Pott noch sonst wo in Deutschland. Und das gilt leider sogar für viele Menschen, die hier politisch aktiv sind, die heute weiterkämpfen für eine freie Zukunft. Woran liegt das? Vielleicht klingt es abgedroschen, aber natürlich ist der Grund dafür, dass es die Sieger sind, die die Geschichte schreiben. Und die Sieger der Geschichte, dass ist eben bis zum heutigen Tag nicht das Proletariat, sondern die Kapitalist:innenklasse. Nachdem der bürgerliche Staat und das Kapital die Märzrevolution mithilfe der Faschisten niedergeschlagen hatten, haben sie sich alle Mühe gegeben, dass die Arbeiter:innen so schnell nicht mehr auf die Idee kommen, doch ihre Ketten abzuschütteln. Dazu gehörte auch, dass dieses Thema in den Geschichts- und Schulbüchern den Platz einer historischen Randnotiz zugewiesen bekam. In meinem Schulbuch, aus dem ich als 16 jähriger von der Geschichte der Weimarer Republik lernen sollte, war es genauso. Ellenlang wurde von diesem Kaiser, diesem General und jenem Politiker berichtet. Auch der faschistische Kapp-Putsch, der die Märzrevolution auslöste, wurde natürlich erwähnt. Als rechtsextreme Gefahr für die Republik. Was sie uns nicht erzählt haben, war der Rest der Geschichte: Dass es die Arbeiter:innen und nicht die feinen Demokrat:innen waren, die den Putsch abwehrten. Und dass es eben jede feinen Demokrat:innen waren, die danach ein Bündnis mit den Faschisten eingingen und sie im Pott morden ließen. Von der revolutionären Erhebung der Arbeiter:innen war gar nicht erst die Rede.
In der bürgerlichen Geschichtsschreibung zwischen all den großen, mächtigen Männern der herrschenden Klasse haben die Erlebnisse und die Taten der Arbeiter:innen keinen Platz. Sie werden verschwiegen, verleugnet oder mit Lügen überzogen. Das gilt nicht nur für die Märzrevolution, sondern für die Geschichte unserer Klasse als ganzes. Und weil es niemanden gibt, der für uns an die Leistungen unserer Klasse erinnert, müssen wir es eben selbst tun!
Das kann dabei nicht nur heißen, dass wir daran arbeiten, das ganze Bild der Geschichte aufzudecken, die bürgerliche Geschichtsschreibung quasi zu komplettieren. Im Fokus unserer Erinnerungsarbeit muss stehen, das Gedenken an die Geschichte unserer Klasse mit dem heutigen Kampf um unsere Befreiung zu verknüpfen. Untersuchen wir, was damals gut funktioniert hat. Wie konnte die anarchosyndikalistische Freie Arbeiter Union Deutschlands alleine in Dortmund 20.000 Menschen organisieren? Wie konnten die Arbeiter:innen eine effektive bewaffnete Macht bilden in so kurzer Zeit? Schauen wir uns aber auch an, was nicht funktioniert hat! Warum ist die Revolution gescheitert? Was waren die fatalen Entscheidungen, die damals getroffen wurden? Aus all dem können und müssen wir Lehren ziehen für unseren heutigen Kampf für eine freie Zukunft unter schwarzen und roten Fahnen! Und wir können Motivation schöpfen, auch wenn die Umstände, unter denen wir kämpfen heute unfassbar feindselig sind. Seien wir uns gewiss: Die Bedingungen für unsere Klasse nach vier Jahren imperialistischem Weltkrieg, Hungersnot und mit einer militärischen Besetzung des Potts vor der Haustür waren keine einfachere Zeit. Und trotzdem ist es den Arbeiter:innen gelungen großes zu leisten.
Ein Genosse hat einmal gesagt: Es gibt keine revolutionäre Bewegung, wenn die Menschen vergessen werden, die davor kamen und für die gleiche Sache kämpften. Erinnern wir uns also an die gefallenen Arbeiter:innen. Weil wir heute an ihrem Grab stehen insbesondere an die folgenden:
Schlosser Friedrich Zürn
Schneider Wilhelm Kniese
Walzmeister Casper Humbert
Lehrhauer Max Milke
Arbeiter Heinrich Haase
Kohlenhändler Adolf Kuhr
Dreher Wilhelm Wiechmann
Friseur Bernhard Hutzler
Eisenarbeiter Alex Grebba
Arbeiter Hermann Utting
Hermann Altenscheid
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