Bericht vom 1. Mai 2021 im Ruhrgebiet

Für uns als die plattform Ruhr war der diesjährige 1. Mai in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnlicher und ereignisreicher Tag, an dem wir insgesamt an drei Veranstaltungen teilnahmen, die wir teilweise aktiv mitgestalteten. Im Folgenden möchten wir über den Tag aus unserer Perspektive berichten.

Antifaschistischer Gegenprotest in Dortmund…
Als erstes fuhren einige unserer Mitglieder am Morgen in den Westen Dortmunds in den Stadtteil Dorstfeld. Dort fand kurzfristig organisierter antifaschistischer Protest gegen eine Kundgebung der örtlichen Nazi-Szene statt. Zwar traten zwar hier einige Szene-Größen auf, aber auch die konnten nicht viel mehr als 35 Faschos ermutigen, an der Demo teilzunehmen. In den beiden Gegenkundgebungen – die Bullen hielt die meisten Antifaschist*innen auf Abstand und ließen diese nicht zur angemeldeten Kundgebung – waren dagegen über 150 Menschen anwesend und konnten die Nazis regelmäßig übertönen. Nach dem Ende der traurigen Fascho-Veranstaltung nutzten einige Antifaschist*innen das schöne Wetter um, statt sich in die U-Bahn zu drängen, lieber noch einen kleinen Spaziergang durch das Viertel zu unternehmen. Dabei kam es zu einem kurzen Abstecher in die Emscherstraße, Knotenpunkt des angeblichen „Nazi-Kiez“, den die Rechten seit Jahren herbeizureden versuchen. Wie wenig an diesem Mythos dran ist und wie geschwächt die örtliche Nazi-Szene ist, zeigte sich dann direkt vor den Häusern, die von etlichen Nazis bewohnt werden: Dem Anmarsch der Antifaschist*innen hatten die Faschos nichts entgegenzusetzen und mussten sich hinter einer Polizeikette verstecken.

Es ist sehr erfreulich, dass die faschistische Inszenierung immer weiter bröckelt. Leider setzten die Bullen auf dem weiteren Nachhauseweg über ein Dutzend Antifaschist*innen unter vorgeschobenen Gründen fest, da ihnen der selbstbestimmte Ausflug offenbar nicht passte. Der antifaschistische Gegenprotest an diesem 1. Mai war ein klarer Erfolg für die antifaschistische Bewegung in Dortmund und NRW. Die Nazi-Szene der Stadt ist aktuell so schwach wie seit Jahren nicht mehr. Das müssen wir nutzen und den Druck auf die Rechten aufrecht erhalten. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich schon am nächsten Samstag, 8. Mai, denn antifaschistische Gruppen rufen zu einer Kundgebung in Dorstfeld auf, um die Befreiung vom deutschen Faschismus vor 76 Jahren zu feiern. Zeigen wir den Faschos, dass das Arbeiter*innenviertel Dorstfeld nicht ihr „Kiez“ ist! Am 8. Mai auf zum Wilhelmplatz, Kundgebung startet um 14:30 Uhr!

Video-Dokumentation des antifaschistischen Spaziergangs in die Emscherstraße auf unserem YouTube-Kanal

…und Essen
Auch in Essen stand der 1. Mai im Zeichen des Antifaschismus. Die Nazis zogen nach dem traurigen Start nämlich weiter in die nächste Ruhrgebietsstadt, um in Essen eine Demonstration abzuhalten. Dagegen hatten antifaschistische Gruppen kurzfristig zu Protesten aufgerufen. Wir nahmen an der revolutionären 1. Mai-Demo mit dem Motto „Gegen Rechte Krisenlösungen“ teil. Die Polizei hatte ordentlich aufgefahren, um wie gewohnt den Nazis den Weg durch den Stadtteil Frohnhausen so bequem wie möglich zu machen. So warteten unter anderem eine Reiterstaffel, Wasserwerfer & Hubschrauber auf die zahlreichen Antifaschist*innen. Nach einer Auftaktkundgebung auf dem Holsterhauser Platz, bei der einige kämpferische Reden gehalten wurden, zog der antifaschistische Protest in einem Demozug Richtung Essen West Bahnhof. Die Bullen ließen natürlich keine Gelegenheit aus, um die Demo zu stoppen unter anderem mit absurden Begründungen, wie das Teilnehmer*innen angeblich ihre Masken nicht ordnungsgemäß tragen würden. Trotz allem gelang es Kleingruppen, den Naziaufmarsch teilweise durch einzelne Sitzblockaden & Störungen zu nerven. In der Nacht waren zudem in ganz Frohnhausen vereinzelt nette, antifaschistische Botschaften an Hauswänden & auf der Straße für die Faschos aufgetaucht. Über den ganzen Tag hinweg bewiesen die Bullen als Vertreter*innen des Staates immer wieder, dass letzterer kein Partner im antifaschistischen Kampf sein kann. Besonders skurril wurde es als die Bullen ihr Revier an der Heerenstrasse öffneten, um die Nazis aufs Klo zu lassen.Insgesamt war der Tag jedoch ein Erfolg, es haben sich in Frohnhausen bis zu 1500 Antifaschist*innen versammelt um gegen die Nazis zu demonstrieren oder sie zu blockieren. Es herrschte eine durchgehend kämpferische Stimmung. Doch weiterhin mangelt es an Anschlussfähigkeit an breitere Teile unserer Klasse. Hier gilt es, den antifaschistischen Kampf durch klassenkämpferische, antiautoritäre Elemente zu erweitern. Denn es braucht eine antifaschistische Massenbewegung, um den Nazis den Sand abzugraben und eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, um den Faschismus für immer auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern.

die plattform Ruhr in Essen

800 Menschen bei der anarchistischen 1. Mai-Demonstration in Dortmund!
Dass die Nazis versuchen, den Tag unserer Klasse für sich einzunehmen, sollte kein Anlass sein, sich nur ihnen in den Weg zu stellen. Der 1. Mai ist in erster Linie ein Tag des Klassenkampfes, des Widerstands gegen den Kapitalismus, an dem wir Lohnabhängige unsere Alternativen zu diesem System auf die Straße bringen müssen. Aus diesem Grund fand auch in diesem Jahr wieder eine anarchistische 1. Mai-Demonstration in Dortmund statt, an deren Organisation auch wir uns maßgeblich beteiligten. In diesem Jahr standen unter dem Motto „Freiheit statt Patriarchat, Kapitalismus und Egoismus“ besonders diese Themen im Fokus.

Startkundgebung im Westpark

Im Vorfeld der Demonstration hatte die Stadt Dortmund tatkräftig versucht, die Demonstration zu verhindern. Doch die anarchistische Bewegung der Stadt nahm das zuerst ausgesprochene Verbot nicht hin und klagte dagegen. Diese Klage war am Ende erfolgreich, ein Gericht wies das Verbot als unbegründet zurück. So konnte die Demonstration dann wie geplant um 16 Uhr im Dortmunder Westpark mit einer Auftaktkundgebung starten. Schon hier zeigte sich, dass die wochenlang intensiv betriebene Mobilisierung für die Demonstration ihre Wirkung nicht verfehlt hatte. Der Platz an der Tanzfläche, den die Bullen uns anfangs vergeblich und völlig willkürlich nehmen wollten war rappelvoll mit Menschen! Nach einer kurzen Begrüßung waren wir an der Reihe, den ersten Redebeitrag der Demonstration zu halten. In diesem machten wir auf die Notwendigkeit von Selbstorganisation und Klassenkampf aufmerksam und riefen die Teilnehmenden dazu auf, mit uns ins Gespräch zu kommen und mit uns aktiv zu werden und für die soziale Revolution zu kämpfen. Nach uns sprach ein Vertreter der Freien Arbeiter*innen Union, der dazu aufrief, die Gründung eines Dortmunder FAU-Syndikats zu unterstützen. Wir möchten an dieser Stelle unsere Unterstützung dieser Initiative bekräftigen: Dortmund braucht eine stabile, kämpferische Basisgewerkschaft! Also rein in die FAU, lasst uns gemeinsam das Syndikat aufbauen! Im Anschluss folgte ein Redebeitrag des Feministischen Kollektiv Dortmunds, aus dessen Reihen ebenfalls viele Menschen die Organisation der Demonstration tatkräftig unterstützt hatten. Hier ging es um das Thema feministische Elternschaft. Danach gab der lokale Rapper Tolztoi unter Jubel der Menge ein paar hörenswerte Songs zum Besten.

Von diesem kleinen Live-Konzert richtig eingestimmt, stellte sich die Demo schließlich auf, um loszulaufen. Vorneweg ein explizit feministischer Block, den Frauen, Lesben, inter-, nichtbinäre, trans- und agender-Menschen gestalteten, direkt dahinter ein klassenkämpferischer Block, den wir als Gruppe organisiert hatten. Hinter diesen beiden Blöcken reihte sich der Rest der Demonstration auf, die uns ganz schnell den Atem raubte! Ja, wir hatten damit gerechnet, dass nach den Anstrengungen der letzten Wochen viele Menschen mit uns auf die Straße gehen würden, aber so viele Menschen hatte niemand von uns erwartet. Während sich der Demozug langsam aus dem Westpark hinaus in Richtung Hauptbahnhof bewegte, wuchs die Zahl der Teilnehmer*innen auf 800 an. Im Vergleich zu den etwa 300 Teilnehmenden der letzten anarchistischen 1. Mai-Demo ein deutliches Zeichen der Unzufriedenheit vieler Menschen mit der Krise und den angeblichen „Lösungen“ der Herrschenden. Besonders schön für uns war zu sehen, dass es sowohl bei den Anwohner*innen als auch bei Passant*innen positive Reaktionen auf die vielen kurzen und kämpferischen Redebeiträge aus der Demo heraus gab. Laut schallten unsere Forderungen über die Straßen Dortmunds.

Der Demozug über die Schützenstraße

Nach einer Zwischenkundgebung auf dem Platz der deutschen Einheit, auf der eine kurdische Genoss*in sprach, zog die Demo laut und kämpferisch durch die Nordstadt in Richtung Hafen. Dabei stießen unsere Parolen und die Forderungen dahinter immer wieder auf Zustimmung bei den vielen Menschen unserer Klasse, an denen die Demo vorbeilief. Während wir liefen riefen Redebeiträge immer wieder dazu auf, sich nicht von der rassistischen Hetze spalten zu lassen, sondern aktiv als Klasse den Kampf für eine bessere Zukunft aufzunehmen. Man merkte immer wieder, dass die Leute von vielen Dingen in diesem System einfach die Schnauze voll haben. Dies spiegelte sich auch in dem Teilnehmer*innenfeld wieder, welches bunt gemischt war. Der explizit anarchistischen Demonstration sowie den Forderungen schlossen sich bei weitem nicht nur „die üblichen Verdächtigen“ an – ein weiterer Ausdruck des Verlangen vieler Menschen nach echten, fortschrittlichen Lösungen für die derzeitigen Krisen. Schließlich erreichte die Demo den Hafen, wo sie mit einer kleinen Pyroshow begrüßt wurde, welche auf viel Zustimmung aus der Demo stieß. Nun fand die Endkundgebung statt, bei der wir noch eine Rede der Hafeninitiative zur Gentrifizierung des Hafengeländes und einen Beitrag der Initiative für ein sozial-ökologisches Zentrum hörten. Nach einigen Schlussworten und dem Aufruf, auch im nächsten Jahr wieder nach Dortmund zum anarchistischen 1. Mai zu kommen, endete die Demo unter Jubel aller Anwesenden.

 Zwar hatten sich die Bullen bis zu diesem Zeitpunkt auf Grund der Größe der Demo größtenteils zurückgehalten, nun aber zeigten sie wieder einmal ihr wahres Gesicht. Gewaltsam setzten sie gegen Ende der Demo drei Personen wegen des Vorwurfs des Verwendens von Pyrotechnik fest. Einen Menschen drückten sie dabei brutal auf dem Boden und fesselten ihn mit Kabelbindern bis er an den Handgelenken blutete. Das darf wohl als Frustablassen über den Erfolg der Demo verbucht werden, der den Bullen ganz und gar nicht geschmeckt haben dürfte. Insgesamt blicken wir jedoch auf eine wahnsinnig starke 1. Mai-Demo zurück und freuen uns sowohl im Allgemeinen über die vielen tollen Menschen, die sich mit uns die Straßen genommen haben, als auch nochmal besonders über die Gelegenheit, einen eigenen Block organisieren zu können und auch über einen Infotisch zu Beginn mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen zu sein. Wenn auch auf jeden Fall noch ausbaufähig, das Konzept klassenkämpferischer Block erscheint uns auch in Zukunft geeignet, um in der anarchistischen Bewegung den Stellenwert eines klassenkämpferischen Anarchismus hochzuhalten und nach außen hin klar unsere Forderungen nach einer Welt ohne Krisen, nach der sozialen Revolution, zu vermitteln. Wir werden aus den gemachten Erfahrungen lernen und darauf aufbauen, wenn wir auch im nächsten Jahr wieder in Dortmund auf die Straße gehen!

Der klassenkämpferische Block von die plattform Ruhr


Als Fazit für diesen 1. Mai lässt sich festhalten, dass wir im Ruhrgebiet einen kämpferischen und sehr schönen Tag unserer Klasse erlebt haben. Die größte anarchistische Demo in Dortmund seit Langem und entschiedene antifaschistische Interventionen in Essen und Dortmund. Darauf lässt sich aufbauen!


Für einen organisierten Anarchismus, für einen klassenkämpferischen Antifaschismus!
Es lebe der 1. Mai!

Alle Fotos von Mona Dierkes

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