Zunehmende rechte Gewalt in Dortmund: Kein Fußbreit den Faschisten!

Die Dortmunder Neonazi-Szene musste in den letzten Jahre einige herbe Rückschläge einstecken: Manche Kader landeten immer wieder im Knast. Andere verließen Dortmund gen Ostdeutschland, weil sie in Dortmund keine Perspektive für ihre Arbeit mehr sahen. Einige altgediente „Kameraden“ segneten gleich ganz das Zeitliche. Ihre besten Zeiten, in der sie regelmäßig Aufmärsche organisierte und mit Infoständen mehrmals die Woche im Stadtbild präsent war, hat die Szene eindeutig hinter sich. Seit einigen Jahren ist deshalb immer wieder davon die Rede, dass die Dortmunder Neonazi-Szene geschwächt und weniger gefährlich sei.

Verschiedene Ereignisse der vergangenen Tage, Wochen und Monate zeigen jedoch, dass diese Analyse zu kurz greift. Wir möchten diesen Text nutzen, um mit unseren Mitteln auf diese Ereignisse und die unmittelbare Gefahr aufmerksam zu machen, die aktuell von rechten Gewalttätern in Dortmund ausgeht. Wir wollen, dass alle, die zur Zielscheibe der Faschist:innen werden könnten, wissen, was auf sie zukommen kann, damit sie in der Lage sind, sich vorzubereiten. Wir wollen auch aufzeigen, wo wir aktuell Handlungsmöglichkeiten sehen, um der faschistischen Gefahr gemeinsam entgegenzutreten.

Dabei beziehen wir uns neben eigenen Beobachtungen in großen Teilen auf die Recherchearbeit der Nordstadtblogger, die sie in ihrem Artikel vom 18. Februar 2023 zusammengetragen haben und in dem sie sich wiederum auf Aussagen und Recherchen der Genoss:innen der Mean Streets Antifa und des Recherchekollektivs NRW beziehen.

Erhöhte faschistische Präsenz und immer wieder Gewalt

Bereits im Sommer zeigte sich eine neue Qualität rechter Hetzkampagnen. Die Genossen Joshua und Marian vom anarchistischen Podcast Übertage wurden im Netz als pädophile Vergewaltiger verleumdet, um anonym an ihre Adresse zu gelangen. Daraufhin wurde einer der Genossen in der Nordstadt von einer aufgebrachten Menschenmenge angegangen.

In den vergangenen Wochen und Monaten ist zu beobachten, dass sich kleinere Gruppen von Faschist:innen wieder öfter abends im Bereich der Innenstadt herumtreiben; unter anderem am Bergmann-Kiosk aber auch vor der bei Rechten beliebten Kneipe Vater & Sohn in der Nordstadt. Antifaschistische Interventionen scheinen sie nicht zu befürchten. Immer wieder bedrohten sie dabei Menschen, die sie als Linke identifizierten. Aus solchen Situationen heraus kam es zu mehreren körperlich-gewalttätigen Übergriffen, denen die Angegriffenen teilweise nur mit großem Glück entfliehen konnten. Solche Angriffe sind in Dortmund nicht neu und doch müssen wir feststellen, dass sie sich aktuell immens häufen.

Die gesteigerte Bedrohung durch faschistische Gewalt zeigt sich auch an mehreren Angriffen auf Räumlichkeiten, bei denen zwar nicht sicher, aber zumindest zu vermuten ist, dass Faschist:innen dahinter stecken. Im vergangenen Jahr wurde erst der Buchladen Taranta Babu im Klinikviertel angegriffen. Dann die Kneipe Missing Link im Unionviertel. Und dann kürzlich erst das Büro der Linkspartei am Wall.

Hinzu kommt, dass Faschist:innen an unterschiedlichen Orten durch das massive Verbreiten von Aufklebern verstärkt versuchen, sich den städtischen Raum anzueignen.

Die Faschist:innen knüpfen neue Bündnisse

Die aktuellen Übergriffe scheinen hauptsächlich von einer Gruppe junger Männer auszugehen, deren Zusammensetzung für Neonazi-Schläger eher untypisch ist. Denn neben dem altbekannten Faschisten Steven F. sind auch Jugendliche und junge Männer mit Migrationshintergrund darunter. Als Schlüsselfigur dürfte ein Mann namens Serkan B. einzuschätzen sein, der immer wieder mit den Faschist:innen rund um F. auftritt und auch durch ein SS-Tattoo seine Sympathien zur Szene bekundet. Er kommt aus dem Drogenmilieu.

Die Nordstadtblogger sehen in B. und seinem Umfeld die Urheber einiger Social-Media-Profile, die zur Hetzjagd auf (angebliche) Pädophile aufrufen und extrem grafisches Bildmaterial (angeblicher) Übergriffe posten. Sowohl in ihren Gewaltfantasien gegenüber (angeblichen) Pädophilen als auch in ihrem Hass auf LGBTI-Menschen und (vermeintliche) Linke scheinen die sonst eher unterschiedlichen Milieus zusammenzufinden.

Auch eine weitere Sache eint sie: Männlicher Körper- und Kampfkult. Laut Nordstadtblogger steckt B. auch hinter einem Untergrund-Kampfsport-Event, das kürzlich in Dortmund stattgefunden hat und bei dem laut Recherchekollektiv NRW Neonazis gegen migrantische Jugendliche angetreten sind. Der Zweck solcher Events ist offensichtlich: Junge Menschen sollen für die Szene rekrutiert, die eigene Männlichkeit unter Beweis gestellt und die eigenen Kampffertigkeiten für solche Übergriffe, wie wir sie gesehen haben, trainiert werden.

Hype in sozialen Medien und das Wegschauen der Behörden

Während er Leute auf Dortmunds Straßen bedroht, tingelt Steven F. von einem Social-Media-Format ins Nächste. Etliche Influencer:innen und Persönlichkeiten aus dem Hip-Hop-Kosmos haben ihn schon eingeladen, damit er vor laufender Kamera seinen stumpfen Menschenhass verbreiten kann. Sie wissen ein Neonazi bringt Klicks und sind offenbar bereit, jegliche Prinzipien für ein paar schnelle Euros über Bord zu werfen. F. darf sich Hunderttausenden Kids als krasser aber „korrekter“ Neonazi präsentieren und bekommt dafür immer wieder Anerkennung.

Während die einen den Faschist:innen eine Plattform bieten, bleibt die Polizei lieber bei der althergebrachten Strategie der Verharmlosung. Ermittlungsergebnisse gibt es nicht. Serkan B. ist auch nicht rechts. Alles wird getan, um die Kriminalstatistik Rechts, an der man lange Jahre gearbeitet hat, schön niedrig zu halten. Uns muss klar sein, dass die Polizei uns nicht schützen wird. Wir brauchen eine eigene Antwort!

Unsere Antwort?

Wir dürfen die aktuelle Situation nicht unterschätzen. Die Gefahr durch rechte Angriffe auf Menschen und Räume ist real. Wir müssen auf uns und einander aufpassen. Das heißt Augen offen halten, sich abends auf dem Heimweg besser zwei Mal umzuschauen, lieber mit mehreren Menschen unterwegs zu sein und andere Vorkehrungen zu treffen. Und bereit zu sein, wenn andere Hilfe brauchen.

Dennoch sollten wir auch nicht in Panik verfallen. Stattdessen müssen wir uns gemeinsam gut überlegen, wie wir der faschistischen Gefahr entschlossen entgegentreten können. Denn wenn die letzten Wochen und Monate eins gezeigt haben, dann ist es das: Wenn den Faschist:innen keine Grenzen aufgezeigt werden, dann machen sie einfach weiter.

Es ist jetzt an der Zeit, dass wir uns darüber kollektiv Gedanken machen, was zu tun ist, wenn sie nochmal einfach so auftauchen, um unsere Leute zu bedrohen oder anzugreifen. Es ist an der Zeit konkret den antifaschistischen Selbstschutz auf der Straße zu formieren und den Faschist:innen handfesten Widerstand entgegenzustellen. Um dafür zu sorgen, dass sie sich das nicht nochmal trauen.

Vor allem muss es aber auch darum gehen, Aufmerksamkeit in unserem Wohnumfeld zu schaffen. Die Faschist:innen treiben sich aktuell besonders im Unionviertel, stellenweise aber auch in der Nordstadt rum. Kommen wir mit unseren Nachbar:innen in Kontakt, klären wir sie über die aktuelle Situation auf und bereiten wir uns auch mit ihnen zusammen vor. Wir werden es den Faschist:innen nur dann ungemütlich machen können, wenn sie wissen, dass das ganze Viertel gegen sie steht. Gehen wir außerdem konsequent gegen jeden Versuch der faschistischen Raumnahme, ob mit Tags, Aufklebern oder Plakaten vor.

Zu guter Letzt ist aber klar: Solange es die Hausprojekte in Dorstfeld gibt, solange wird es auch dieses Nazi-Problem in unserer Stadt geben. Der Kampf gegen die Faschist:innen muss sich endlich in ganz Dortmund intensivieren mit dem Schwerpunkt auf Dorstfeld. Bis dahin wird es ein weiter Weg sein, den wir aber jetzt angehen müssen.

Werdet deshalb aktiv, bereitet euch vor, wehrt euch und meldet Nazis und ihre Aktivitäten an die Antifa-Strukturen!

Solidarität mit allen Betroffenen rechter Gewalt! Den Faschist:innen entschlossen entgegentreten!

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