Vor knapp zwei Wochen, am Abend des 16. September, wurden in der griechischen Hafenstadt Thessaloniki insgesamt 51 Antifaschist*innen verhaftet, als sie ihre Straßen in einer kollektiven Aktion von faschistischen Graffiti säuberten.
Bei der Verhaftung selbst und während der Zeit des Gewahrsams kam es zu brutalen Übergriffen und Misshandlungen der Bullen, bei denen 15 Antifaschist*innen Verletzungen davontrugen – zwei so schwer, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden mussten.
Gemeinsam mit anderen anarchistischen Organisationen von mehreren Kontinenten haben wir nun eine Erklärung veröffentlicht, um uns mit den betroffenen Genoss*innen zu solidarisieren. Sie stehen nicht allein in ihrem Kampf gegen Faschismus, Kapitalismus und Staat. Als Anarchist*innen werden wir immer an ihrer Seite stehen.
Tod dem Faschismus! Solidarität ist unsere Waffe!
(ENGLISH BELOW)
Internationale Solidaritätserklärung für die 51 Antifaschist*innen, die am 16. September 2020 in Thessaloniki, Griechenland, verhaftet wurden.
Am Abend des 16. September 2020 säuberten Antifaschist*innen in Thessaloniki, Griechenland, in einer kollektiven Aktion ihre Straßen von faschistische Parolen und Graffiti, die einige Tage zuvor von den Mitgliedern der neuen neonazistischen Partei “Griechen für das Vaterland” angebracht worden waren.
“Griechen für die Heimat” wurde von Ilias Kassidiaris, einem Ex-Vertreter der Nazi-Partei “Goldene Morgenröte”, gegründet. Die Nazi-Graffiti wurden durch antifaschistische Graffiti und Slogans ersetzt. Gegen 22:30 Uhr nachts wurden unsere Genoss*innen von schweren Polizeikräften umzingelt, die sie ohne Grund angriffen. 51 Genoss*innen wurden im Polizeihauptquartier in Thessaloniki in Gewahrsam genommen und dort zwei bis vier Tage unter erbärmlichsten Bedingungen festgehalten. Insgesamt wurden 15 von ihnen verletzt, während weitere zwei sogar ins Krankenhaus eingeliefert wurden, weil sie von der Polizei schwer verletzt worden waren. Während der Verhaftung und des Gewahrsams hörten die Polizisten nie auf, ihre Macht, die ihnen vom Staat verliehen wurde, zu missbrauchen, um den Geist unserer Genoss*innen zu brechen.
Die 51 Festgenommenen wurden dem Staatsanwalt und dem Ermittler vorgeführt, wo folgende empörende und unwahre Anschuldigungen gegen sie erhoben wurden: 1) Ungehorsam, weil sie sich weigerten, ihre Fingerabdrücke und Fotos abnehmen zu lassen; 2) Verletzung des öffentlichen Friedens (dies ist eine sehr häufige Anklage, die jedes Mal erhoben wird, wenn jemand protestiert); 3) Zerstörung einer öffentlichen Stätte durch die antifaschistischen Parolen, die sie geschrieben haben, um die faschistischen zu verdecken. Anscheinend ist für das griechische Gericht der bürgerlichen “Justiz” nur die Hassrede der Faschist*innen an den Wänden erlaubt; 4) Verletzung des Gesetzes über den Schutz von Altertümern; 5) illegaler Waffenbesitz, weil die Antifaschist*innen anarchistische Fahnen und Helme trugen; 6) Strafverfolgung wegen “Denkmalbeschädigung”. Diese Behauptung wurde durch den Kurator der Altertümer aufgestellt, der kein Problem damit hat, diese obszöne Lüge zu unterstützen, obwohl das “Denkmal”, das beschädigt wurde, eigentlich die Bänke in der Nähe des eigentlichen historischen Denkmals von Thessaloniki, des “Weißen Turms”, sind. Interessant ist, dass es doch eigentlich der Bau dieser Bänke war, welcher Teil des Planes von Vasilis Papageorgopoulos (ehemaliger Bürgermeister der Stadt und Mitglied der jetzt regierenden rechtsgerichteten Partei “Neue Demokratie”, der aus dem Gefängnis entlassen wurde, nachdem er 30.000.000 Euro aus den städtischen Fonds veruntreut hatte) für die geschäftliche Wiederbelebung des Viertels war, der das Viertel um das historische Denkmal der Stadt bereits 2008 verschandelt hatte. Unnötig zu sagen, dass die antifaschistischen Parolen in den nächsten Tagen leicht von den Straßenreiniger*innen der Stadt gesäubert wurden, wobei natürlich die faschistischen Slogans intakt blieben.
Dieser provozierende Angriff gegen die Mitglieder der antifaschistischen Bewegung zeigt das wahre Gesicht der kapitalistischen Unterdrückung und die Toleranz des Staates gegenüber den Faschist*innen, die sie ständig als ihre reaktionärste Reserve nähren. Dieser unterdrückerische Angriff auf unsere Genoss*innen ist für uns eindeutig eine offene Provokation des Staates und der Bullen nur wenige Tage vor der jährlichen antifaschistischen Demonstration am Jahrestag der Ermordung von Pavlos Fyssas (antifaschistischer Hip-Hop-Musiker, der von den Nazis von Goldene Morgenröte ermordet wurde) und vor dem Abschluss des Prozesses gegen diese kriminelle faschistische Organisation (für die der Vorschlag der Staatsanwaltschaft eine günstigere Behandlung der Nazis vorsieht). Und doch vermittelten am 18. September massive Demonstrationen im ganzen Land eine starke Botschaft des Widerstands und des Kampfes gegen den Staat, die Kapitalist*innen und den “tiefen Staat” der Faschist*innen (1). In der Stadt Thessaloniki füllten 3000 Demonstrierende die Straßen der Stadt bei einer antifaschistischen Demonstration.
Wir werden weder unsere Genoss*innen noch irgendein Mitglied der antikapitalistischen und antifaschistischen Bewegung in den Hände der staatlichen Unterdrückung lassen. Unsere Solidarität mit den an diesem Tag verhafteten Antifaschist*innen ist gegeben und endlos. Es ist unsere kollektive Verpflichtung, ein Sicherheitsnetz zu schaffen, um sie vor der rachsüchtigen Verfolgung durch den Staat und seine Mechanismen zu schützen. Die politische Unterstützung und die Solidarität mit unseren Genoss*innen ist Teil unserer Pflicht als Mitglieder der internationalen antifaschistischen Bewegung. Als Anarchist*innen und Antifaschist*innen werden wir ihnen in jeder Hinsicht zur Seite stehen und unseren kollektiven Kampf für die Klassen- und soziale Emanzipation und für den Beitrag der proletarischen Gerechtigkeit unbeirrt fortsetzen.
KEINE STRAFVERFOLGUNG DER 51 ANTIFASCHIST*INNEN, DIE AM 16. SEPTEMBER IN THESSALONIKI VERHAFTET WURDEN!
KOMPROMISSLOSER INTERNATIONALISTISCHER UND KLASSENKAMPF GEGEN DIEJENIGEN, DIE DIE ARBEITER*INNENKLASSE UNTERDRÜCKEN!
TOD DEM FASCHISMUS!
SOLIDARITÄT IST UNSERE WAFFE!
(1) Anmerkung: Der Begriff “tiefer Staat” ist in unserem Sprachgebrauch recht unüblich und mag vielen von uns eher als rechte Verschwörunstheorie bekannt sein. Hier wird der Begriff verwendet, um die Verflechtungen des (griechischen) Staates und seiner Sicherheitsbehörden (vor allem die Polizei) mit faschistischen Kräften deutlich zu machen, die sich normalerweise den Augen der Öffentlichkeit entziehen.
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ENGLISH:
International statement of solidarity to the 51 antifascists who were arrested in Thessaloniki, Greece, at 16/9/2020.
In the evening of 16/9/2020 at Thessaloniki, Greece, during a social intervention, antifascists comrades were collectively erasing fascist slogans and graffiti, which were written a few days earlier by the members of the new neo-nazi party “Greeks for homeland”, found by Ilias Kassidiaris, an ex-representative of the nazi party “Golden Dawn”. The nazi graffiti were replaced with antifascist graffiti and slogans. Around 22:30 at night our comrades were surrounded by heavy police forces that attacked them without reason. 51 comrades were taken into custody to the Police General Headquarters in Thessaloniki and kept there 2 to 4 days under the most deplorable conditions. In total, 15 of them were injured while another 2 were even admitted to the hospital due to their heavy injuries caused by the police. During the arrest and the custody the cops never stopped provoking and abusing their power that is given to them by the state, in order to break the spirit of our comrades.
The 51 arrested were presented before the prosecutor and the investigator where the following outrageous and untrue accusation were made against them: i) disobedience because they refused to have their fingerprints and photos taken; ii) breach of the public peace (this is a very common charge that is given every time someone is protesting); iii) destruction of public site, for the antifascist slogans they wrote in order to cover the fascist ones. Apparently, for the greek court of bourgeois “justice” only the fascist’s hate speech is permitted on the walls; iv) violation of the law on the protection of antiquities; v) illegal possession of weapons, because the antifascists wielded anarchist flags and helmets; vi) criminal prosecution for “monument damage”. That claim was made through the curator of the antiquities, which has no problem to support this obscene lie, even though the “monument” which was damaged is actually the benches near the actual historical monument of Thessaloniki, the “White Tower”. What is interesting is that the construction of those benches in 2008, which were part of Vasilis Papageorgopoulos’s (former city mayor and member of the now ruling right wing party “New Democracy”, who was set free from prison after embezzling 30.000.000 euros from the municipal funds) plan for the business regeneration of the area, was the one that actually destroyed the area around the historical monument of the city. Needless to say that the antifascist slogans were easily cleaned the next days by the city’s street cleaners, of course leaving intact the fascist ones.
This provocative attack against the members of the antifascist movement demonstrates the true colours of the capitalist oppression and the state’s tolerance towards the fascists, whom they are constantly nourishing as their most reactionary reserve. This oppressive attack to our comrades is for us clearly an open provocation by the state and the cops only a few days away from the annual antifascists demonstration on the anniversary of the assassination of Pavlos Fyssas (antifascist hip hop musician who was murdered by the fascists of Golden Dawn) and from the completion of the trial of the criminal neo-nazi organisation Golden Dawn (for which the prosecutor’s suggestion provides a more favourable treatment for the nazis). And yet, at 18/9/2020 massive demonstrations all over the country gave a strong message of resistance and fight against the state, the capitalists and fascist’s “deep state”. At the city of Thessaloniki 3000 protestors filled the streets of the city for the antifascist demonstration.
We will not let our comrades or any member of the anticapitalist and antifascist movement into the hands of the state oppression. Our solidarity towards those antifascists arrested that day is given and unending. It’s our collective obligation to create a safety net to defend them before the vindictive prosecution of the state and its mechanisms. The political support and
solidarity to our comrades is part of our duty as members of the international antifascist movement. As anarchists and antifascists we will stand by them in any way, continuing unwaveringly our collective fight for class and social emancipation and for the contribution of proletarian justice.
NO CRIMINAL PROSECUTION TO THE 51 ANTIFASCISTS WHO WERE ARRESTED IN THESSALONIKI, GREECE, AT 16/9/2020
UNCOMPROMISING INTERNATIONALIST AND CLASS STRUGGLE AGAINST THOSE WHO OPPRESS THE WORKING CLASS
DEATH TO FASCISM
SOLIDARITY IS OUR WEAPON
☆ Αναρχική Ομοσπονδία (Greece)
☆ Federación Anarquista de Rosario (Argentina)
☆ Aotearoa Workers Solidarity Movement (New Zealand/Aotearoa)
☆ Federación Anarquista Santiago (Chile)
☆ Federación Anarquista Uruguaya (Uruguay)
☆ Coordenaçao Anarquista Brasileira (Brazil)
☆ Organización Anarquista de Córdoba (Argentina)
☆ Die Plattform-Anarchakommunistische Organisation (Germany)
☆ Libertaere Aktion (Switzerland)
☆ Workers Solidarity Movement (Ireland)
☆ Anarchist Communist Group (Great Britain)
☆ Grupo Libertario Vía Libre (Colombia)
☆ Alternativa Libertaria / FdCA (Italy)
☆ Organisation Socialiste Libertaire (Switzerland)
☆ Zabalaza Anarchist Communist Front (South Africa)
☆ Union Communiste Libertaire (France)
☆ Embat Libertarian Organisation (Catalonia)