Dortmund: Erfolgreiche Kundgebung und Demonstration am Tag der Befreiung

Am 8. Mai, dem Tag der militärischen Niederlage des deutschen Faschismus, haben mehrere hundert Menschen an einer antifaschistischen Kundgebung in Dortmund Dorstfeld mit anschließender Spontandemonstration durch verschiedene Stadtteile teilgenommen. Auch wir haben uns an Organisation und Durchführung der Aktionen beteiligt und möchten in diesem Bericht auf den aus antifaschistischer Perspektive erfolgreichen Tag zurückschauen:

Anlässlich des 8. Mai hatten mehrere Dortmunder Gruppen und Initiativen kurzfristig zu einer Kundgebung unter dem Motto „Kampf dem Faschismus – Damals wie Heute“ auf dem Wilhelmplatz – mitten im angeblichen „Nazi-Kiez“ Dorstfeld – aufgerufen. Auch wir riefen zur Kundgebung auf und beteiligten uns im Vorfeld an der Organisation. Trotz der recht kurzfristigen Mobilisierung gelang es der antifaschistischen Bewegung der Region etwa 300 Menschen nach Dorstfeld zu mobilisieren. Diese hörten auf der Kundgebung verschiedene Redebeiträge, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema Befreiung und Antifaschismus auseinandersetzten. So gab es neben einer Rede unserer Gruppe Reden vom anarchistischen Buch- und Kulturzentrum Black Pigeon, dem Feministischen Kollektiv Dortmund, Fridays for Future Dortmund, der Mean Streets Antifa und der Autonome Antifa 170. In den beiden letztgenannten Reden wurde explizit nochmal der Antisemitismus der alten und neuen Nazis angeprangert.

In unserer Rede erinnerten wir an den antifaschistischen Widerstand im Rahmen der Märzrevolution und der Abwehr des reaktionären Kapp-Putsches durch die Selbstorganisation der Werktätigen und ihrem Griff zu den Waffen. Auch wenn dieser scheiterte, zeigte diese revolutionäre Erhebung, die Stärke des revolutionären Antifaschismus. Diese lag stets in der starken Verankerung in der revolutionären Klasse der Arbeiter:innen. Im Kontext dessen haben wir uns als Föderation genau dem Ziel verschrieben, soziale Gegenmacht von unten aufzubauen. Den ganzen Redebeitrag könnt ihr am Ende unseres Berichts nachlesen.
Um der Rede weiter Ausdruck zu verleihen, wurde zeitgleich ein Banner mit der Aufschrift „Dorstfeld Nazifrei“ enthüllt.

Das anarchistische Buch- und Kulturzentrum im Hafenviertel der Dortmunder Nordstadt hat anschließend mit einer historischen Einordnung der Viertels weiter beleuchten könne, dass es gar nicht mehr lange her ist, dass Dorstfeld als Hochburg der Hausbesetzer:innenszene vielen Linken einen Platz zum Leben bieten konnte. Die damals sehr niedrigen Mieten, machten Dorstfeld darüber hinaus eine Heimatstätte für viele Arbeiter:innen. Schon hier hat die Verdrängungspolitik der Stadt dieses nach und nach zu Grunde richten können. Auch diese geschichtliche Betrachtung zeigt, dass die Stadt als kapitalistische Interessensvertretung den Aufbau revolutionärer Gegenmacht, stets bewusst oder unbewusst sabotiert. Dies tut die regierende sozialdemokratische Partei in erschreckender Kontinuität bis heute. Der Redebeitrag vom Feminstischen Kollektiv Dortmund beleuchtete die Rolle von Frauen in der faschistischen Bewegung und über den ideologisch, im Faschismus angelegten, Antifeminismus. Es kann aus diesen Gründen nicht wundern, dass vor allem männliche Nazi-Kader im Fokus der Öffentlichkeit stehen und Frauen lediglich Garnitur und Objekte der Begierde für diese menschenfeindliche Politik des Faschismus sind. Genauso sollte stets die allgemeine Gefahr, die für FLINTA* von Faschist:innen, die nicht in ihr falsches Weltbild passen, erwähnt werden.

Eskalation durch die Polizei

Die Kundgebung wurde von Anfang an von einem sehr großem Aufgebot an Polizei begleitet. Aufgrund der Schwäche der Faschist:innen war es ihnen wohl vor allem wichtig deren Wohnhäuser zu sichern. Wie lächerlich unterbesetzt die Dortmunder Faschist:innen derzeit sind, zeigte sich ja schon die Woche davor am Kampftag der Arbeiter:innenklasse. Schade, einige Antifaschist:innen hätten die Häuser in der Emscherstraße bestimmt gerne nochmal besucht. Beispiele des sogenannten Raumkampfes der Nazis in Dortmund zeigten sich auch schon einige Male als Delegationen sich zum Plakatieren mit dem Auto in die Nordstadt gewagt haben, um – sage und schreibe – einen einzigen Stromkasten mit Plakaten zu bestücken. Wer die Zeit hat, sich mit solchen symbolischen Aktionen, irgendwie die Legitimität zu erschleichen wollen, sich nicht direkt aufzulösen, sollte sich vielleicht nochmal Gedanken bezüglich der eigenen Anziehungskraft machen.
Aber zurück zur Polizei. Diese hat von Anfang an Demonstrant:innen gefilmt und in ihrer üblichen Willkür den Schlagstock gezückt, um ihren Hass auf Linken mal wieder freie Bahn zu lassen. An dieser Stelle wieder auf die rechten Netzwerke der Polizei aufmerksam zu machen, ist die Mühe eigentlich gar nicht wert. Viel Wert auf demokratische Werte gibt eine Institution, die im Dienste des Kapitals Genoss:innen oder aufgrund rassistischer Stereotype Leute belästigt oder verprügelt, ohnehin nicht. Die einzige Demokratie, die es verdient, so genannt zu werden, ist nur durch die Erhebung der Werktätigen und die Vergesellschaftung der Produktion zu erlangen. An diesem Ziel werden uns die Schergen das Kapitals immer hindern wollen. Wir wollen an dieser Stelle den Genoss:innen danken, die trotz der andauernden Gängelung der Polizei weiterhin die Kundgebung besucht haben. Ihr seid nicht allein! Wir stehen zusammen gegen die Repressionen dieses Staates. Nur im Kampfe gegen dieser Verhältnisse können wir die Vorstellungen einer befreiten Gesellschaft artikulieren. Genauso wie es notwendig ist, den revolutionären Aufbau voranzutragen, ist es wichtig Tag für Tag diesen falschen Verhältnissen die Stirn zu bieten. Eine Welt in der die Menschen, die den Reichtum dieser Gesellschaft produzieren, von diesem ausgeschlossen sind. Eine Welt, in der eine kleine Minderheit an Kapitalist:innen durch diese Verhältnisse profitieren. Solch eine Welt hat es nicht verdient einen Tag weiter zu bestehen. Lasst und gemeinsam dieses Unrecht bekämpfen und diesen Staat und seine Verteidiger:innen aufs neue Spüren lassen, was es heißt diese Willkür weiter passieren zu lassen!
Die Polizei konnte es sich weiterhin nicht nehmen lassen, der Bochumer Anreise von 80 Antifaschist:innen unter Vorwand des Infektionsschutzgesetzes bei ihrer Ankunft den Knüppel spüren zu lassen. Wir denken, dass in diesen Auseinandersetzungen gezeigt werden konnte, dass wir uns das nicht einfach so Gefallen lassen. Die Kriminalisierung linker Aktivitäten wird nämlich erst aufhören, wenn wir unser Ziel der befreiten Gesellschaft erreicht haben. Wir wissen genau, dass der Staat immer wieder versuchen wird, Kräften, die mit ihren Analysen die Missstände dieses Mollochs aufzeigen, mit aller Kraft entgegen zu treten.

Anschließend an die Kundgebung haben wirmit einer kämpferischen Demo bis in die Dortmunder Nordstadt, den Tag beenden können. Über ein Megaphon und Sprechchöre konnten wir so die Anwohner:innen über die Bedeutung des Tages aufklären. Darüber hinaus konnten wir unsere Solidarität mit den linken Projekten und Menschen, die am Vormittag in Dortmund von einigen, der in Dorstfeld ansäßigen Faschist:innen bedroht wurden, kundtun. Der Hass auf diesen kläglichen Versuch, Antifaschist:innen das Leben schwer zu machen, konnte so ebenfalls seinen notwendigen Ausdruck bekommen.

Ausblick auf die kommenden Monate
Wir sehen in der derzeitigen Schwäche der Nazis, seit ihren Versuchen, Anfang der 2000er in Dortmund Fuß zu fassen, die Möglichkeit ihren Märchen eines „Nazi-Kiezes“ ein Ende zu bereiten. Wir sehen antifaschistische Aktivität im Viertel unerlässlich an, um mit der fatalen Politik des deutschen Staates und der Dortmunder Stadt aufzuräumen. Diese haben mit der Unterschlagung der Gefahr durch militante Strukturen von Faschist:innen, erst den Nährboden für rechte Gewalt geben können. Es gilt die Gefahr der Ideologie (deutscher) Faschist:innen anzuerkennen, und dieser als Klasse entgegen zu treten. Die Zeit der Auseinandersetzungen auf der Straße und im Viertel sind nicht zu Ende, sondern sollten gerade jetzt wieder mit zunehmender Härte geführt werden. So lange, bis der letzte Nazi eingesehen hat, dass sie es nicht schaffen werden, Boden zu gewinnen. Dazu dürfen wir nicht auf die Politik des Staates vertrauen, sondern müssen selbstorganisiert dem Faschismus entgegentreten. Dies zeigt uns das Elend der städtischen Politik jeden Tag aufs Neue. Kriminalisierung antifaschistischer Politik, passiert nämlich nicht aufgrund einer, von rechtem Gedankengut durchseuchten Polizei und Inlandsgeheimdiensten, wie dem Verfassungsschutz. Sondern aufgrund des ideologischen Nährbodens, welcher der kapitalistische Staat dem Faschismus stets geboten hat und bis heute bietet. Die Institutionen des Staates leisten hier lediglich Schützenhilfe und die Autorität des Staates, stellt lediglich die Grundlage für die Politik der Vernichtung durch den Faschismus.

Unser Redebeitrag
Liebe Antifaschist:innen, liebe Genoss:innen, liebe Dorstfelder:innen,

ich spreche heute hier für die plattform Ruhr. Wir sind eine anarchistische Gruppe, die es sich zum Ziel gesetzt hat, in verschiedenen sozialen Kämpfen aktiv zu sein, um am Aufbau revolutionärer Gegenmacht der Arbeiter*innenklasse zu arbeiten. Dabei sind wir Teil einer überregional aufgestellten Föderation mit Gruppen in verschiedenen Städten.

Heute, am 8. Mai, sind wir hier nach Dorstfeld gekommen, um an die Niederschlagung des Nazi-Regimes vor genau 76 Jahren zu erinnern. Um diesen Tag der Befreiung mit euch allen zu feiern! Wir sind heute aber auch alle hier, weil der 8. Mai leider nicht nur ein Tag des Gedenkens sein kann. Auch wenn der deutsche Faschismus 1945 militärisch besiegt wurde, war das noch lange nicht das endgültige Ende des Faschismus. Das zeigen hunderte Nazi-Morde in den letzten Jahrzehnten, das zeigen die faschistischen Kontinuitäten in den deutschen Behörden und nicht zuletzt der globale Rechtsruck der letzten Jahre. Weitere eindrückliche Symbole für den Fortbestand des Faschismus stehen nur ein paar Meter von hier, in der Emscherstraße, wo überzeugte und gewaltbereite Nazis in Wohngemeinschaften zusammenleben.

All das zeigt: Der 8. Mai, das muss auch ein Tag des Kampfes sein! Des antifaschistischen Kampfes. Wie passend also, dass das Motto der heutigen Kundgebung heißt: „Kampf dem Faschismus damals wie heute!“
Wir verstehen diese Parole durchaus ganz praktisch. Denn solange es Faschismus und Faschist*innen gab, solange gab es auch den antifaschistischen Widerstand gegen sie. Und wir können aus historischen antifaschistischen Kämpfen für heute viel lernen.

Schauen wir doch nur einmal in die Geschichte unserer eigenen Region, dem Ruhrgebiet. Vor gut 101 Jahren nahm hier bei uns die sogenannte Märzrevolution ihren Lauf. Sie begann als ein Aufstand der Massenorganisationen der Arbeiter:innenklasse gegen den reaktionären Kapp-Putsch im fernen Berlin. Die Arbeiter:innen erkannten, dass sie Widerstand leisten mussten gegen diese Entwicklung, sie griffen zu den Waffen, bildeten Kampfverbänden und erhoben sich. Heute kennen wir sie unter dem Namen „Rote Ruhr Armee“. Die Verbände setzten sich aus Anarchist:innen, die größtenteils in der Freien Arbeiter Union Deutschlands organisiert waren, Kommunist:innen und anderen Teilen der Arbeiter:innenbewegung zusammen. Viele Arbeiter:innen sahen mit dem Putsch die Chance gekommen, ihren Traum von einer sozialen Revolution und der Überwindung von Unterdrückung und Ausbeutung in die Tat umzusetzen. Am Ende währte ihr Aufstand nur kurz, denn die SPD-geführte Reichsregierung verbündete sich mit den faschistischen Freikorps und ließ die Revolution blutig niederschlagen.

Aber, obwohl die Märzrevolution am Ende scheiterte, im Kampf hatten die Arbeiter:innen gezeigt, dass ihre Entschlossenheit, ihr Mut und vor allem ihre Selbstorganisation ein schlagkräftiges Mittel im Kampf gegen den Faschismus darstellten! Genau das Gleiche hat sich auch an anderen Stellen in der Geschichte antifaschistischer Kämpfe gezeigt. Denken wir nur an den Widerstand der Arbeiter:innenklasse gegen den Putsch von General Franco im Spanischen Bürgerkrieg. Auch hier erhoben sich organisierte Arbeiter*innen massenhaft gegen die faschistische Bedrohung und leisteten effektiven Widerstand.

Die Märzrevolution im Pott, die antifaschistischen Kolonnen in Spanien und viele Beispiele mehr zeigen: Am erfolgreichsten waren wir Lohnabhängigen im Kampf gegen den Faschismus, wenn unsere Klasse gut organisiert war und antifaschistisches Bewusstsein tief in unserer Klasse verankert war.

Gerade für heute muss uns das eine wichtige Lektion sein, denn der Antifaschismus von heute ist genau das nicht: Weder ist er tief im Bewusstsein der lohnabhängigen Bevölkerung verankert, noch ist unsere Klasse gut organisiert. Stattdessen findet Antifaschismus heutzutage meist innerhalb einer Szene statt, die sich durch ihre Umgangsformen und Codes entweder bewusst oder unbewusst von der breiten Bevölkerung abgrenzt. Eine Verankerung der Bewegung in den Massen ist fast vollständig verloren gegangen.

Im Bewusstsein der vergangenen Kämpfe, bleibt uns dazu nur eins zu sagen: Der Antifaschismus muss raus aus dieser Szene! Wir Antifaschist:innen und Revolutionär:innen müssen wieder daran arbeiten, in Kontakt zu kommen mit den Massen, den Antifaschismus in unserer Klasse zu verankern und Angebote schaffen, damit sich breite Bevölkerungsteile antifaschistisch organisieren können. Offene antifaschistische Treffen, wie sie in vielen anderen Teilen Deutschland bereits üblich sind erscheinen uns da als ein vielversprechender Weg.

Aber ein effektiver Antifaschismus braucht nicht nur die Verankerung in der breiten Bevölkerung, er braucht auch gewisse inhaltliche Grundpositionen, die er nach außen offensiv vertritt. Antifaschismus kann nicht nur heißen, gegen Nazis zu sein, man muss ihn verbinden mit anderen sozialen Kämpfen, egal ob das Klimakämpfe, antirassistische Kämpfe oder feministische Kämpfe sind. Vor allem aber braucht die antifaschistische Bewegung wieder eine klare revolutionäre Haltung, sie muss wieder den Anspruch in ihrer Arbeit verankern, die Gesellschaft als Ganzes zu verändern, statt nur den Faschismus als noch brutalere Form der Herrschaft zu verhindern.

Antifaschismus kann niemals heißen, nur gegen die Nazis hier in Dorstfeld oder gegen die Grauen Wölfe anderswo in Dortmund zu kämpfen, sondern eben auch gegen die Verhältnisse, die all diesen Dreck erst hervorbringen. Antifaschismus heißt auch Kampf dem Kapitalismus und Kampf dem Staat! Denn es ist dieser Staat, dessen Behörden selbst von Nazis und faschistischem Gedankengut gespickt sind. Dieser Staat hat schon oft genug bewiesen, dass er Nazis lieber schützt oder sie gleich mit Kohle und Waffen versorgt, anstatt sie zu bekämpfen. Erinnern wir uns doch nur an die NSU-Mordserie, in die der Verfassungsschutz maßgeblich involviert war.

Auf Staat oder Stadt können wir uns im antifaschistischen Kampf nicht verlassen, sie sind nie Bündnispartner und nur allzu oft unsere direkten Gegner. Eine Welt ohne Faschismus, in der alle Menschen in Frieden, Freiheit und Würde leben können, gibt es nur ohne Staat und Kapitalismus.
Lasst uns uns für diese Welt organisieren und gemeinsam kämpfen! Und lasst uns heute denen gedenken, die mutig gegen den Faschismus gekämpft haben. Mit einem Zitat von einem antifaschistischen Kämpfer, dem spanischen Anarchisten Buenaventura Durruti, möchte ich diese Rede beenden.

„Unser Anliegen ist es, den Faschismus ein für allemal zu zerstören. Und das ungeachtet der Regierung. Keine Regierung der Welt bekämpft Faschismus bis zum Tod.“

Danke!

Alle Fotos von life eliyahu

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