Am heutigen Tag, dem 25.11.2022, stand eine Genossin in Dortmund vor Gericht. Vorgeworfen wurde ihr ein Angriff auf Polizeibeamte der Wache Nord bei einem Einsatz wegen Ruhestörung im vergangenen August. In Wahrheit gab es keinen Angriff ihrerseits. Die Polizisten attackierten sie an diesem Abend anlasslos, warfen sie zu Boden und brachten sie dann auf die Wache. Dort wurde sie geschlagen und beleidigt bevor sie mitten in der Nacht auf die Straße entlassen wurde. Doch es blieb eben nicht dabei: Die Schläger in Uniform zeigten sie danach sogar noch an, um zu verhindern, dass sie über das Geschehene redet. Doch die Genossin entschied, sich mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit zu gehen. Klar zu benennen, was passiert ist.
So kam es dann heute zur Verhandlung vor dem Amtsgericht. Solidarische Menschen organisierten zur Unterstützung der Genossin eine Kundgebung. Wir haben es nicht hin geschafft, dennoch war es uns wichtig klar zu machen, dass wir an der Seite der Genossin stehen. Deshalb sendeten wir der Kundgebung das folgende Grußwort:
„Liebe Genoss:innen,
leider können wir heute morgen nicht mit euch hier vor dem Gericht sein. Trotzdem wollen wir euch als anarchistische Gruppe die Plattform Ruhr mit dem folgenden Grußwort unsere Solidarität übermitteln:
Diese Solidarität gilt natürlich als erstes dir, liebe Genossin. Denn du bist es, die heute vor Gericht steht. Du stehst vor Gericht, weil es ihnen nicht gereicht hat, dich in dieser Nacht zu beleidigen, zu schlagen und zu demütigen. Sie wollten auch noch dafür sorgen, dass du auf keinen Fall auf die Idee kommst, öffentlich über das, was dir in der Wache Nord passiert ist, zu reden. Deshalb haben sie dich angezeigt, obwohl sie wissen, dass es alles nur dreckige Lügen sind, die sie hier verbreiten.
Denn wenn es nach ihnen geht, dann sollst du nicht reden. Und wenn du schon geredet hast, dann sollst du wenigstens in Zukunft schweigen. Denn nur wenn das Schweigen weitergeht, dann können sie so weitermachen. Dann ziehen sie weiter durch die Straßen wie die bewaffnete Bande Rassisten, Schläger, Entführer und Mörder, die sie nun mal sind. Dann töten sie weiter unschuldige Jugendliche mit Maschinenpistolen und Obdachlose mit Tasern.
Sie wollten, dass du nicht redest. Du liebe Genossin, hast aber geredet. Über das, was dir passiert ist. Und darüber, dass es kein Einzelfall ist, dass die Polizisten in dieser Wache Menschen misshandeln. Dass es Menschen wie dich trifft und noch viel öfter solche Menschen, die ganz und gar nicht nicht ins Stadtbild der Ordnungshüter passen. Schwarze Menschen und People of Color, Obdachlose, Drogenverkäufer:innen. Dass es hier nicht nur einfach um Polizeigewalt geht, sondern auch um Rassismus.
Nur wenn wir das Schweigen darüber brechen, sind wir in der Lage, dem ein Ende zu setzen. Du hast das getan. Du hast getan, was richtig war, was richtig ist und für immer richtig bleibt. Du stehst jetzt für die Wahrheit ein, obwohl du weißt, dass es vielleicht einfacher wäre weiter zu schweigen. Weil du das Richtige getan hast, wollen wir dir unsere tiefe Dankbarkeit aussprechen. Wir senden dir all unsere Grüße, all unsere Solidarität und alle Kraft, die du brauchst, um das durchzustehen.
Sei dir sicher: Du bist nicht allein. Wir und so viele andere wissen, dass du das Richtige tust. Dass die Schläger nicht heute hier vor Gericht stehen, sondern in der Wache Nord sitzen und bei einem Kaffee die nächste Menschenjagd planen. Die Konsequenzen, die der Staat dir auferlegt, werden wir gemeinsam stemmen. Niemand bleibt allein.
Glück und Freiheit dir liebe Genossin. Einen Dank allen anderen, die heute hierher gekommen sind.“
Nach einer kurzen Verhandlung endete die Sitzung vor Gericht mit einem freudigen Ausgang: Das Verfahren gegen die Genossin wird fallengelassen, Auflagen gibt es keine. Das freut uns sehr – vor allem für die Genossin.
Gleichzeitig machen wir uns keine Illusionen über den Charakter dieser Verhandlung. Dieses Ergebnis ist kein Produkt eines „gerechten“ Systems. Die Justiz bleibt auch weiterhin der beste Verbündete der Polizei. Es gibt keinen Grund ihr zu vertrauen oder Hoffnung in sie zu setzen. Stattdessen bleibt es weiterhin notwendig, sich gegen die Gewalt der Polizei zu organisieren und Betroffene von Repression zu unterstützen. Nur gemeinsam können wir die Gewalt dieses Systems wirklich stoppen!