103 Jahre Märzrevolution im Ruhrgebiet: Gedenken trotz Regen

An diesem Wochenende haben wir zu zwei Veranstaltungen eingeladen, um der Märzrevolution im Ruhrgebiet von 1920 zu gedenken.

Am Samstag, 25. März, sollte in Kooperation mit dem soziokulturellen Zentrum Trotz Allem eine Wanderung an der Ruhr von Wetter nach Witten stattfinden. Diese musste leider kurzfristig abgesagt werden, da die Bahnstrecke aktuell lahmgelegt ist. Wir machten uns dann auf nach Bochum zur Solidaritätsdemo für die von Neonazis angegriffene Haldi 47. Bei gegebener Zeit werden wir die Wanderung aber nachholen.

Von diesem kleinen Rückschlag ließen wir uns nicht bremsen. Für Sonntag, 26. März, stand unsere Gedenkfeier am Grab zwölf gefallener Arbeiter auf dem Dortmunder Nordfriedhof auf dem Programm. Trotz strömendem Regen machten wir uns von der Nordstadt aus gemeinsam auf dem Weg nach Eving und erreichten kurze Zeit später die bereits reichlich geschmückte Grabstätte. Ein Genosse unserer Organisation eröffnete mit einer Rede das Gedenken. Er erzählte von den ersten Tagen des Aufstands, in denen die hier bestatteten Arbeiter gefallen waren. Unseren Redebeitrag haben wir am Ende dieses Berichts dokumentiert.

Nach der Rede legten wir Blumen sowie eine kleine Gedenktafel ab und sangen noch gemeinsam drei Lieder aus der Geschichte der Arbeiter:innenbewegung. Bevor wir uns wieder auf dem Heimweg machten, statteten wir auch dem nahegelegenen Bergarbeiterdenkmal, das in Erinnerung an einen schweren Zechenunfall von 1925 errichtet wurde, einen Besuch ab.

Es ist bedauerlich, dass wir eine der beiden Veranstaltungen so kurzfristig absagen mussten. Dennoch sind wir froh darum, dass auch in diesem Jahr wieder ein würdevolles Gedenken für die Märzrevolution stattfinden konnte. Im nächsten Jahr wollen wir daran anknüpfen und wieder ein Gedenken organisieren.

„Liebe Genossinnen und Genossen,

ich freue mich sehr darüber, dass ihr alle heute mit uns auf den Nordfriedhof gekommen seid, um der Märzrevolution im Ruhrgebiet und den von Faschisten und Reaktion ermordeten Arbeitern zu gedenken, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Ich möchte in dieser Gedenkrede – wenn auch stark verkürzt – vom Anfang der revolutionären Kämpfe in Dortmund erzählen während dem sie gefallen sind.

Alles beginnt am 13. März 1920 im fernen Berlin. An diesem Tag setzt eine kleine Gruppe Verschwörer, reaktionäre Offiziere, einen Plan in die Tat um, an dem sie seit Langem gefeilt haben. Sie putschen gegen die SPD-geführte Reichsregierung, um die Macht in der Weimarer Republik an sich zu reißen und die Uhr der Geschichte zurückzudrehen. Die deutsche Niederlage im ersten Weltkrieg, die Novemberrevolution, die Abdankung des Kaisers, der Versailler Vertrag und die anhaltende „rote Gefahr“ sind ihnen ein Dorn im Auge. Ein Dorn, den sie ausradieren und für immer vergessen machen wollen. In den Straßen von Berlin marschieren Freikorps auf, also rechte Kampfverbände. Viele der Soldaten tragen bereits das Hakenkreuz am Stahlhelm als sie das Regierungsviertel besetzen – es ist das Abzeichen ihres völkischen Gedankenguts, das die Nazis später übernehmen.

Die Regierung flieht aus Berlin. Doch kurz vorher veröffentlichen die SPD-Mitglieder in der Regierung noch einen Aufruf: Generalstreik! Die Arbeiter:innen sollen die feinen Herren und ihre Republik jetzt retten. Doch diesen Aufruf hätte es wohl kaum gebraucht. Denn die Arbeiter:innen wissen was zu tun ist. Am frühen Morgen erreicht die Nachricht vom Putsch auch Dortmund. Schon um 17 Uhr versammeln sich Arbeiter:innen in großer Zahl in der Innenstadt. Vertreter der Arbeiterparteien und der Syndikalist:innen sprechen zur Menge. Danach macht sich die Menge auf und befreit Adolf Meinberg, einen Kopf der Dortmunder Kommunisten aus dem Knast in der Lübecker Straße.

Der Samstag ist damals noch regulärer Arbeitstag, weshalb viele noch im Betrieb sind. In einigen Zechen erzwingen Arbeiter, dass die Arbeit gestoppt wird. Am Abend und in der Nacht kommt es zu weiteren Protestversammlungen und Konfrontationen mit der Staatsgewalt. Ein Demonstrant wird von der Polizei erschossen. Gleichzeitig werden Waffen geraubt und noch in der Nacht ein erster Arbeiterrat für Dortmund gebildet. Rathaus und Post werden besetzt, später auch der Bahnhof.

Auch am arbeitsfreien Sonntag findet eine Massenkundgebung der Dortmunder Arbeiterklasse gegen den Putsch statt.

Am Montag geht der Generalstreik dann richtig los. Im ganzen Reich, aber natürlich besonders stark im Industriezentrum Ruhrgebiet. Alles steht still. Wieder Massendemonstrationen. So geht es auch in den nächsten Tagen weiter. Und in allen Städten bilden sich jetzt Arbeiterräte, die gegen die Polizei und die reaktionären Einwohnerwehren versuchen lokal die Kontrolle zu übernehmen.

Am Dienstag rollt dann auf einmal ein gepanzerter Zug auf dem Dortmunder Südbahnhof ein. Der Zug transportiert Freikorps-Soldaten. Weil die Gleise nach Hagen aufgerissen sind wollen sie zu Fuß dorthin marschieren, um „Recht und Ordnung“ wieder herzustellen. Doch bei Aplerbeck wird die Truppe von bewaffneten Arbeiter gestellt und zurückgeschlagen. Die Soldaten müssen zurück nach Dortmund fliehen. Der Zug soll sie nach Münster bringen doch die Eisenbahner weigern sich. Die Gleise sind aufgerissen. Die Soldaten sitzen in Dortmund in der Falle.

Am Mittwoch, 17. März, sind die Putschisten in Berlin am Ende. Sie sind intern zerstritten und der Generalstreik hat jede Hoffnung auf eine Übernahme der Macht begraben. Sie kapitulieren. Die Macht der Arbeiterklasse hat den Sieg gebracht. Und auch in Dortmund geht es den Freunden von Nation, Krieg und Kaiser jetzt an den Kragen. Um 6 Uhr morgens beginnt der Sturm der bewaffneten Arbeiter auf Dortmund. 10 bis 12tausend sind es wohl. Mit erbeuteten Geschützen beschießen sie die Stadt, der Turm der Reinoldikirche wird getroffen. Um 11 Uhr sind die Soldaten am Ende und geben auf. Dortmund ist befreit – für einige Wochen zumindest bis die SPD einmal mehr im Bündnis mit der Reaktion den Aufstand der Arbeiter für ein besseres Leben in Blut erstickt.

Während der Kämpfe um Dortmund fallen in diesen ersten Tagen etwa zwei Dutzend Arbeiter. Zwölf von ihnen werden am 21. März auf diesem Friedhof, in dem Grab vor dem wir heute stehen, bestattet. Wir möchten ihnen heute stellvertretend für weit mehr als 1000 Arbeiter und Arbeiterinnen gedenken, die im Laufe der Märzkämpfe im Ruhrgebiet der Gewalt der Reaktion und ihrer Bluthunde zum Opfer gefallen sind. Wir werden eure Namen nie vergessen:

Schlosser Friedrich Zürn

Schneider Wilhelm Kniese

Walzmeister Casper Humbert

Lehrhauer Max Milke

Arbeiter Heinrich Haase

Kohlenhändler Adolf Kuhr

Dreher Wilhelm Wiechmann

Friseur Bernhard Hutzler

Eisenarbeiter Alex Grebba

Arbeiter Hermann Utting

Hermann Altenscheid

Ihring von dem wir nur den Nachnamen kennen“

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