Urteile gegen Antifas: Kundgebung und Spontandemo in Dortmund

Heute Abend haben wir uns in Dortmund zusammen mit etwa 120 Menschen anlässlich der Urteilsverkündung gegen die ostdeutschen Antifaschist:innen rund um Lina zu einer Kundgebung am Sonnenplatz versammelt.

Dort gab es zunächst einige Reden zu hören, die auf unterschiedliche Aspekte des zurückliegenden Verfahrens eingingen und die Solidarität mit den nun Verurteilten betonten. Auch wir hielten einen Beitrag, in dem wir das Verfahren in den Kontext zunehmender staatlicher Repression der vergangenen Jahre einordneten. Außerdem betonten wir die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Kritik des Staates und seiner Justiz. Denn es geht um mehr als um Nazis in Sicherheitsbehörden oder übermäßig harte Gerichtsurteile: „Ein faires Verfahren durfte es nie geben und konnte es auch nicht geben. Das was da gerichtet hat war die deutsche Klassenjustiz!“ Unseren ganzen Redebeitrag haben wir am Ende dieses Beitrags dokumentiert.

Nach einem letzten Redebeitrag waren die Cops auf einmal verschwunden und so ergab sich die Chance sich in einem spontanen Ausdruck der Wut über das Urteil die Straße zu nehmen. Ein Großteil der Kundgebung zog unter lauten Parolen über die Möllerstraße, durch den Westpark bis auf die Rheinische Straße und zum U. Die Polizei konnte lediglich zuschauen und versuchte danach noch einige Menschen festzunehmen. Falls es euch erwischt hat, dann meldet euch bei den Antifa-Strukturen oder der Roten Hilfe!

Es ist erfreulich, dass es heute gelungen ist, sich selbstbestimmt die Straße zu nehmen. Noch erfreulicher ist die Nachricht, dass Lina vorerst freigelassen wird. Doch kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die antifaschistische Bewegung aktuell in einer Sackgasse befindet. Es braucht neue Wege, um aus den Beschränkungen der Subkultur und der Szenepolitik auszubrechen. Wir brauchen eine antifaschistische Massenbewegung, die in der Lage ist verschiedene Taktiken einzusetzen und solidarisch miteinander zu vereinen. Militanz kann eines dieser Mittel sein, doch sie ist immer nur als Teil einer breiteren Bewegung wirklich effektiv. Lasst uns daran arbeiten, eine solche Bewegung aufzubauen!

Unser Banner auf der Kundgebung am Sonnenplatz

Unsere Rede:

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich bin dankbar, dass auch ich hier heute für die anarchistische Gruppe Die Plattform Ruhr einige Worte an euch richten darf. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um einen kleinen Blick auf die letzten Jahre zu werfen.

2018 wurde in Bayern ein neues Polizeiaufgabengesetz erlassen. Dieses gab den Polizeibehörden Zugriff zu einer Vielzahl neuer Repressionsmaßnahmen wie einer einmonatigen Haft auf Verdacht sowie ein Arsenal neuer Waffen zur Aufstandsbekämpfung, darunter auch Granaten. Ähnliche Polizeigesetze folgten in den darauffolgenden Jahren in fast allen Bundesländern – auch in NRW.

Dort wo die Herrschenden gerade noch der Polizei neue rechtliche Spielräume und militärische Spielzeuge gegeben hatten, machten sie sich zugleich an die Einschränkung des Versammlungsrechts. In NRW hat das Versammlungsgesetz, das letztes Jahr in Kraft getreten ist, dafür gesorgt, dass schon das geschlossene Auftreten in schwarzer Kleidung oder das Tragen von Maleranzügen bei Klimademos verboten sind.

Gleichzeitig nutzt der deutsche Staat immer stärker die Mittel, die ihm ohnehin schon zur Verfügung stehen.
2020 werden türkische Kommunist:innen der TKP/ML in München zu langen Haftstrafen verurteilt ohne dass ihnen auch nur eine konkrete Straftat vorgeworfen wird.
Im gleichen Jahr werden in Hamburg Kommunist:innen des Roten Aufbau mit Maschinenpistolen aus ihren Betten geholt, weil ihnen der Staat die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorwirft.
In Stuttgart werden 2021 die beiden jungen Antifaschisten Jo und Dy zu langen Haftstrafen verurteilt, weil sie sich einer Gruppe Nazis in den Weg gestellt haben.
In Nürnberg muss der anarchistische Genosse Jan in Haft nachdem ihm vorgeworfen wird, einen Polizisten angebrüllt zu haben.
Während all das geschieht geht die Repression gegen die kurdische Linke ununterbrochen weiter. Genoss:innen werden mit Hausdurchsuchungen überzogen, angeklagt und abgeschoben in die Hände des faschistischen Erdogan-Regimes.
Selbst die Formen gesellschaftlichen Protests, die dieses System nicht ansatzweise in Frage stellen, werden drangsaliert. Die Letzte Generation wird als kriminelle Vereinigung verfolgt. Und der Streik bei der Bahn wird rechtlich verhindert.

Obwohl das heutige Urteil gegen die ostdeutschen Antifaschist:innen eine Höhepunkt dieser Welle der Repression darstellt, ist es also kein Ereignis das nur für sich steht. Seit Jahren zieht der deutsche Staat die Daumenschrauben gegen revolutionäre Linke und genauso auch gegen fortschrittliche soziale Bewegungen wie die antifaschistische, die Klima- oder auch die kurdische Bewegung an.

Aber warum? Weil die Behörden voll mit Leuten sind, die selbst reaktionäre Gedanken pflegen, die vielleicht mit den Faschisten von AfD und Co sympathisieren? Sicherlich, diese Leute gibt es in den Behörden. Enthüllungen der letzten Jahre über rechte Netzwerke in Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr haben genau das gezeigt. Rechte rüsten auf und vernetzen sich. Das müssen wir dringend erkennen und ernst nehmen.

Aber das Problem sitzt viel viel tiefer als nur bei den Rechten in den Behörden. Der Staat und seine Behörden bestehen vor allem zu einem Zweck: Sie sollen das herrschende Gesellschaftssystem, den Kapitalismus, schützen. Dafür wurden sie überhaupt erst geschaffen. Der Verfassungsschutz soll früh möglichen Widerstand erkennen. Die Polizei soll ihn auf der Straße bekämpfen und Aktivist:innen drangsalieren. Und die Justiz soll mit Urteilen dafür sorgen, dass sich auch bald niemand mehr wagt sich noch zu wehren. Widerständige sozialen Bewegungen sollen so die Zähne gezogen werden. Und revolutionäre Strukturen sollen zerschlagen werden. Angesichts der sich verschärfenden gesellschaftlichen Krisen und dem Aufschwung einzelner sozialer Kämpfe verfolgt der Staat dieses Ziel mit zunehmender Härte.

Viel ist jetzt die Rede von einem ungerechten Urteil oder einem unfairen Verfahren – und das nicht zu Unrecht. Aber die Wahrheit ist eben auch, dass es nie ein faires Verfahren geben durfte. Das was da gerichtet hat, war die deutsche Klassenjustiz, die es ganz und gar nicht ertragen kann, dass sich Menschen zusammenfinden, um sich außerhalb des Rahmens staatlicher Gesetze organisiert gegen die Faschisten zu Wehr zu setzen. Am Ende bleibt das herrschende Recht das Recht der Herrschenden.

Statt an den Rechtsstaat zu appellieren müssen wir erkennen, dass nur unser eigener Widerstand gegen die Repression in der Lage sein kann, deren Auswirkungen abzuwenden oder zumindest abzufedern. Nur auf uns selbst können wir vertrauen! Unsere Solidarität ist unsere stärkste Waffe. Es ist deshalb gut, dass heute so viele hierher gekommen sind, um Solidarität mit Lina und den anderen Antifaschist:innen zu zeigen!

Auch in den kommenden Monaten wird diese Solidarität wichtig sein. Durch Spenden sammeln, Öffentlichkeit organisieren und für Repression in unseren eigenen Städten und Strukturen sensibilisieren.

Doch es ist auch klar, dass wir noch viel zu wenige sind, um wirksamere Formen der Solidarität zu organisieren. Dazu müssen wir aus den Beschränkungen unserer Szene ausbrechen. Es braucht eine viel breitere antifaschistische Bewegung, die verschiedene Formen des antifaschistischen Widerstands auf allen gesellschaftlichen Ebenen miteinander solidarisch vereint. Lasst uns ein Beispiel an der Entschlossenheit der ostdeutschen Antifaschist:innen nehmen und anfangen, diese Bewegung aufzubauen.

Freiheit für Lina und alle anderen. Nieder mit der Klassenjustiz. Für eine antifaschistische Massenbewegung!

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